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Taxameter-Apps: Fluch oder Segen?

von Remmer Witte
16. Oktober 2020
Lesedauer ca. 3 Minuten.
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Taxameter-Apps: Fluch oder Segen?

Taxameter, Quittung Graphik: Witte

Ein neues Gespenst kreist über dem Gewerbe, die Macher der PBefG-Novelle sprechen immer wieder von einer Taxameter-App und im aktuellen Referentenentwurf nun auch von einer Wegstreckenzähler-App. Was soll das sein und wie soll das funktionieren? Unser Autor Remmer Witte hat eine solche App in seinem Betrieb bereits im Einsatz und berichtet von seinen Erfahrungen.

Die Taxameter-App, die in unserem bisher einzigen Wasserstoff-Taxi „in Teilzeit“ zum Einsatz kommt (dazu später mehr), funktioniert überraschend exakt. Nachdem man sie kostenpflichtig aus dem Playstore heruntergeladen hat und den Taxitarif seiner Gemeinde dort hat hinterlegen lassen, kann es losgehen. Per GPS verfolgt die App Fahrweg, Geschwindigkeit und sogar die Wartezeit und erzielt auf Basis des hinterlegten Algorithmus zu Fahrtende mehr oder weniger genau den gleichen Fahrpreis wie ein geeichter Taxameter, der allein auf Basis des Geschwindigkeitssignals des Fahrzeugs arbeitet. Bei vielen Tests gab es lediglich kleine Differenzen von mal 10 oder auch mal 20 Cent, für die Kunden also wohl absolut akzeptable Werte. Man hat eigentlich eher den Verdacht, dass die App genauer ist als der Taxameter und nicht umgekehrt.

Zu Schichtende versendet die App dann auf Wunsch einen detaillierten Tourenzettel, allerdings natürlich ohne Angaben zu Fahrer oder Fahrzeug. Wenn ein Kunde möchte, kann er mit der App sogar seinen Taxifahrer kontrollieren, denn der Download steht ja jedem frei. Eine Supersache – wo also ist der Haken?

In der seriösen Nutzung ist die App – wenn sie denn genehmigungsfähig wäre – wohl tatsächlich eine echte Alternative. Allerdings sträubt sich einem alles, wenn man an folgendes Szenario denkt: Ein Handy mit Taxameter-App lehnt locker direkt vor dem Taxameter und verdeckt diesen zufällig. Der Kunde steigt ein, der Fahrer startet die APP, der Kunde sieht einen Taxameter und zahlt zu Fahrtende den korrekten Fahrpreis. Der eigentliche Taxameter aber hat nichts gespeichert. Wohl dem Unternehmen, das für diesen Fall über Sitzkontakte verfügt.

Noch gruseliger wird diese Vorstellung, wenn man sich schwarze Limousinen vorstellt, die so ebenfalls pseudoseriös ihre Dienstleistung zum Taxipreis anbieten können. Allerdings lässt sich diese Zukunft wohl trotzdem nicht mehr aufhalten, denn die Apps sind ja schon da, und das auch nicht erst seit gestern. Die Politik hat hier also nicht den Teufel aus dem Bau gelockt und das Gewerbe muss wohl selbst zusehen, wie es solche Fehlnutzungen unterbinden kann (wobei einem spontan leider gar nicht mal so viel dazu einfällt.

Der andere Haken ist, dass der PBefG-Referentenentwurf zwar lapidar formuliert, dass selbstverständlich nur „zugelassene“ Apps genehmigungsfähig seien, sich allerdings darüber ausschweigt, wie eine solche Zulassungsprüfung aussehen könnte und wie der Kunde dann die zugelassene App von der nicht zugelassenen App unterscheiden soll. Solange jeder weltweit Apps in den Umlauf bringen darf, bleibt eine Kontrolle oder Differenzierung zwischen Gut und Böse wohl Wunschdenken. Und welche Behörde soll dann was überhaupt „prüfen“? Das Eichamt kann dafür nicht zuständig sein und eine MID-Zulassung ist ebenfalls kaum vorstellbar, da das „Gerät“ an sich ja nicht als Einzelhardware zur Verfügung steht.  

Und natürlich können die auserkorenen Apps vielleicht bezüglich ihres Algorithmus von wem auch immer getestet werden, aber Satelliten entziehen sich sogar dem langen Arm deutscher Eichbehörden. Selbstverständlich bietet die App theoretisch eine digitale Einzelaufzeichnung, aber ob das allein bundesdeutsche Finanzbeamte wirklich glücklich macht, steht ebenfalls in den Sternen. Und zu guter Letzt bringt natürlich jeder temporäre Satellitenausfall dann auch jede steuerehrliche Taxibuchführung nachhaltig und irreparabel ins Schleudern – ein Problem, welches eben doch regelmäßig mal vorkommt und welches ebenfalls noch seiner Lösung harrt.

Insofern ist also die Funktion einer Taxameter-App unbestreitbar gut und somit durchaus state-of-the-art. Allerdings ist bisher unvorstellbar, wie die weiteren Klippen der Genehmigung und Nutzung und der potentiellen Fehlnutzung  umschifft werden sollen. Abwarten und Tee trinken heißt da wohl wieder die Devise fürs Gewerbe.

Anmerkung des Autors, Prokurist beim Oldenburger Taxibetrieb Acht-Elf-Elf: Auf Basis der Experimentier-Klausel im PBefG arbeitet unser Oldenburger Wasserstoff-Taxi schon seit einigen Monaten mit einer solchen App. Das Wasserstoff-Taxi ist ein Teilzeit-Taxi, welches sich über die Woche anderen Aufgaben widmet und nur am Wochenende als Taxi im Einsatz ist. Dafür war ein Taxameter notwendig, der nicht fest mit dem Fahrzeug verbunden ist und welcher daher natürlich auch nur auf Basis der Experimentier-Klausel überhaupt genehmigungsfähig ist. Politik, Unternehmen und Kommune waren allerdings verständlicherweise so scharf auf Deutschlands aktuell wohl einziges H2-Taxi, dass Sie dieses einzigartige Projekt trotz dieser Klippen ermöglicht haben – ein wohl einmaliger Vorgang. Ansonsten ist die Genehmigung einer App als Taxameter nach heutigem Stand eher unter der Kategorie „undenkbar“ einzustufen.

 

Tags: Änderung PBefGTaxameterTaxameter-App
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Remmer Witte

Der Prokurist eines Oldenburger Taxibetriebs kann auf über 40 Jahre Erfahrung im Taxigewerbe zurückblicken. Der Niedersachse ist offen für alternative Antriebe und engagiert sich in der Taxi-Erfagruppe.

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